Pflegekinderrecht-Blog

Neulich bei den Pflegeeltern

Rechtsanwalt Matthias Westerholt aus Bremen informiert

Die Fraktionen von SPD, Grünen und Die Linken (alle in der Opposition) haben einen gemeinsamen Antrag mit dem Titel „Kinderrechte mit Leben füllen – Kinderkommission des Niedersächsischen Landtags einrichten“ (LT-Drs. 16/3418) eingebracht. Sie schlagen die Einrichtung einer Kinderkommission zum 1. Juli 2011 vor. Die Regierungsfraktionen von CDU und FDP halten dagegen einen Kinderschutzbeauftragten für ausreichend.

Die Kinderkommission soll die Aufgabe haben, sich durch Beschlüsse, Empfehlungen, Stellungnahmen und öffentliche Äußerungen für die Interessen der Kinder, die in Niedersachsen leben, einzusetzen. Ihr Aufgabenbereich soll die Herstellung der Chancengerechtigkeit für die Belange von Kindern und Jugendlichen durch Verbesserung der Bildungssituation und eine bessere soziale Integration, die Förderung des Aufwachsens ohne psychische und physische Gewalt, die Förderung eines gesunden Lebens und gesunder Umweltbedingungen, die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an sie betreffenden Entscheidungsprozessen sowie die Bekämpfung von Kinderarmut und Entwicklung eines angemessenen Lebensstandards für alle Kinder und Jugendlichen umfassen. Die Kinderkommission soll als Ausschuss eigener Art jeweils ein stimmberechtigtes Mitglied und einen Stellvertreter pro Fraktion haben. Alle ordentlichen Mitglieder der Kinderkommission sollen aus den Mitgliedern bzw. stellvertretenden Mitgliedern des Ausschusses für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration benannt werden. Der Kommissionsvorsitz soll jährlich zwischen den ordentlichen Kommissionsmitgliedern wechseln. Für ihre Aufgabenerledigung sollen der Kinderkommission folgende Instrumente zur Verfügung stehen: öffentliche Anhörungen, Stellungnahmen und Empfehlungen zu wichtigen kinderpolitischen Themen; nichtöffentliche Expertengespräche, um zu relevanten Themen Standpunkte zu entwickeln; Öffentlichkeitsarbeit zu Themen, die für Kinder und Jugendliche von allgemeinem Interesse sind. Der Kinderkommission soll das Recht eingeräumt werden, selbstständig Anträge mit der klaren Zielrichtung für eine verstärkte Partizipation von Kindern und Jugendlichen im Landtag einzubringen, wenn diese Anträge in der Kommission konsensual beschlossen wurden. Die neu geschaffene Position des Landesbeauftragten für Kinderschutz soll gestrichen und dessen Haushaltsmittel sollen der Arbeit der Kinderkommission zur Verfügung gestellt werden.

Für die Einrichtung einer Kinderkommission sprechen sich die Oppositionsfraktionen von SPD, Grünen und Linken aus. Deren Antrag wird damit begründet, dass Kinder sich nur schwer politisch organisieren könnten und vielmehr darauf angewiesen seien, dass Erwachsene, Verbände oder politische Gremien ihre Interessen berücksichtigten. Deshalb solle nach dem erfolgreichen Vorbild des Deutschen Bundestages und des Bayrischen Landtages eine Kinderkommission eingerichtet werden. Damit setze der Landtag nach der Verankerung von Kinderrechten in der Niedersächsischen Verfassung ein Signal, dass er die Kinder und Jugendlichen in besonderer Weise in die Fürsorge und Obhut eines parlamentarischen Gremiums nehmen wolle. Die Kinderkommission solle unter anderem ein Wächteramt im Interesse der Kinder und Jugendlichen ausüben. Sie solle außerdem im besten Sinne des Wortes parlamentarische und außerparlamentarische Interessenvertretung für Kinder und Jugendliche sein und entsprechende politische Akzente setzen. Sie solle auch Ansprechpartnerin sein für Verbände, Organisationen und Einrichtungen, die sich mit Anliegen von Kindern und Jugendlichen beschäftigten. Damit rückten diese Themen auch mehr in den Blickpunkt der Öffentlichkeit.

Die für 2011 vorgesehene Neueinrichtung eines Landesbeauftragten für den Kinderschutz sei mit der Einrichtung der Kinderkommission überflüssig. Nach Aussage von Heinrich Heggemann, parlamentarischer Referent der SPD-Fraktion im Niedersächsischen Landtag, sei der Beauftragte mit einem Jahresbudget von 5.000 Euro nach Ansicht der Fraktion nur ein „Feigenblatt“. Bisher habe er seine Arbeit nicht aufgenommen und darüber hinaus sei unklar, wer diese Funktion überhaupt übernehmen solle. Während der Bundestag schon seit 1988 über ein derartiges Gremium verfüge, verharre der Landtag in Hannover seither in Regungslosigkeit, so der sozialpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Uwe Schwarz. Die Grünen-Fraktion im Niedersächsischen Landtag befürchtet nach Aussage von deren stellvertretender Vorsitzenden Miriam Staudte, dass ein Kinderschutzbeauftragter vor allem dazu diene, einem Abgeordneten der Regierungsfraktionen einen neuen Titel zu verschaffen. Gewünscht sei aber ein parteiübergreifender Austausch. Die Kinderkommission könnte selbst Anträge in den Landtag einbringen. Das wäre wichtig, weil es für die Grünen-Fraktion oft so aussehe, als ob die Sozial- und Kinderpolitiker in CDU und FDP gerne etwas anschieben oder unterstützen wollten, die Fraktionen aber ihre Veto einlegten. In Niedersachsen sei jedes fünfte Kind von Armut bedroht und eine Kinderkommission daher überfällig. Patrick Humke, sozialpolitischer Sprecher der Linken-Fraktion, stellte fest, dass den Kindern laut Verfassung ein Mindestmaß an Teilhabe zustehe. Die Regierung setze sich mit ihrer „Sparzwang-Logik“ aber über die Rechte der Kinder hinweg. Der Umstand, dass selbst der Vorsitzende der Berliner Bundestagskinderkommission, der CDU-Politiker Eckhard Pols, Kinderkommissionen auf Länderebene fordert, sollte aus Sicht der Oppositionsfraktionen auch die Regierungsfraktionen überzeugen.

Aus Sicht der Regierungsfraktionen von CDU und FDP ist ein Kinderschutzbeauftragter ausreichend. Die FDP-Fraktion sieht bei einem einzelnen Beauftragten bessere Möglichkeiten, sich für die Belange der Kinder einzusetzen. Nach Aussage des sozialpolitischen Sprechers Roland Riese wäre eine Kinderschutzkommission des Landes, die nach dem Vorbild der Kinderkommission des Bundestages eingerichtet würde, nur beschränkt handlungsfähig. Kommissionen dieser Art seien in der Regel auf das Einstimmigkeitsprinzip verpflichtet. Dieses gelte beispielsweise auch in der Integrationskommission des Landtages. Aus diesem Grund werde in solchen Kommissionen mehr debattiert als entschieden während ein Kinderschutzbeauftragter unabhängiger handeln könne. Vom Gesetzgeber sei zu erwarten, dass er bei allen relevanten Vorhaben den Kinderschutz berücksichtige. Weiter führt Riese aus, der Kinderschutz sei von der niedersächsischen Verfassung herab durch zahlreiche gesetzliche Vorschriften geregelt. Für den Kinderschutz seien umfängliche ehrenamtliche Organisationen und Verbände tätig. Der Kinderschutzbeauftragte werde keine Exekutivaufgaben übernehmen können. Im Zusammenwirken mit der Fachverwaltung des Landes, vor allem also dem Referat des Sozialministeriums, werde er jedoch politische Kontaktstelle für den Kinderschutz sein können und als Sprachrohr besser wahrgenommen werden können, als eine Kommission.