Das Kind lebte seit drei Jahren, seit seiner Geburt in der Pflegefamilie. Die leibliche Mutter hatte sich seitdem nicht gemeldet. Dem Kind ging es gut. Jugendamt, Frühförderung, Kindergarten – alle waren sich einig, das Kind hat großes Glück, so liebevoll und fürsorgend aufwachsen zu dürfen.
Dann flattert plötzlich der „Rückführungsantrag“ der leiblichen Mutter ins Haus. Sie habe sich wieder gefangen. Sie habe eine Psychotherapie begonnen, einen neuen Partner und wolle das Kind wieder zurück. Das Gericht wollte schnell handeln und lud eine dem Gericht bekannte und vertraute Sachverständige direkt zum ersten Anhörungstermin. Die hörte sich alle Berichte in Ruhe an und holte dann aus. Es sei das zentrale Bedürfnis eines jeden Kindes, bei seinen leiblichen Eltern leben und aufwachsen zu dürfen. Kinder, denen das verwehrt werde, würden in der Regel später psychische Probleme entwickeln. Gerade für die Identitätsentwicklung in der Pubertät sei es für jedes Kind wichtig, nicht bei fremden Leuten leben zu müssen. Daher sei sie auf jeden Fall für die Rückführung des Kindes zur leiblichen Mutter.
Diese sei nicht vorbestraft, arbeite an ihren Defiziten und sei soziale mit dem neuen Partner gut eingebunden. Das Kind und die Pflegefamilie müsse sie nicht kennenlernen. Das sei ja sowieso immer nur eine Maßnahme auf Zeit, die jederzeit abgebrochen werden könne. Gerade kleine Kinder wären am Anfang einer Trennung von Pflegeeinrichtungen irritiert, das gäbe sich aber in der Regel sehr schnell. Oh je. Alle waren fassungslos. Das Jugendamt regelrecht empört. Ob denn die Sachverständige noch nie etwas von Bindungen und Trennungstraumata gehört hätte. Und von den Anforderungen an die Erziehungsfähigkeit nach einer Herausnahme aus der sozialen Familie. Und von der Sicherheit und Dauerhaftigkeit des „neuen“ Lebens der Mutter. Die Pflegeeltern kündigten sofort einen Befangenheitsantrag an. Die Richterin versuchte zu beruhigen. Ein Befangenheitsantrag sei nicht nötig. Sie würde auf jeden Fall eine andere Gutachterin beauftragen. Wer mit derart klaren und vorgefertigten Ansichten in eine Überprüfung gehe, könne sicherlich keine neutrale Untersuchung mehr durchführen.
Sie fände diese Vorgaben der Gutachterin ebenfalls äußerst befremdlich und überlege sich, ob sie diese überhaupt noch einmal bestellen wird. So ging man auseinander. Die Gutachterin war sauer. Sie habe das nicht aus persönlichen Gründen, sondern fachlich fundiert so gesagt. Es gäbe dazu diverse Untersuchungen. Zum Glück war es für ihre Einwendungen zu spät.
Aufwachsen bei Pflegeeltern führt zu psychischen Problemen, aber bei Menschen zu leben die einen vernachlässigt oder misshandelt haben ist unproblematisch, das sind ja die leiblichen Eltern. Da geht es dem Kind sowieso immer am besten. Wenn es dann doch Probleme gibt ist das die Schuld der Pflegefamilien, die haben dem Kind ja eine Bindung gegeben, das geht ja mal garnicht, man muss das Kind doch aufbewahren ohne jegliche Bindung, im Notfall für 18 Jahre, es soll ja auch dann nichts der Rückführung im Wege stehen. Warum ist es eigentlich erlaubt, dass das Pflegekind Mama und Papa zu den sozialen Eltern sagt. Ist doch nur ein Job (für den man ein paar cent Stundenlohn bekommt). Das Kind soll immer in Limbo leben, egal wie unwahrscheinlich die Rückführung ist. Weil natürlich sind die leiblichen Eltern immer besser. Das das Kind weggenommen wurde in der Vergangenheit war ja nur ein Missverständnis.
Ich will garnicht sagen, dass Rückführung schlecht ist, aber immer gut finde ich sie auch nicht. Pflegekinder sollten nicht 18 Jahre in Limbo leben müssen. Rückführung sollte relativ schnell und früh passieren. Wenn nach z.B. 5 Jahren immernoch keine Besserung stattgefunden hat sollte das Kind abgesichert werden und nicht jeden Tag mit der Angst zu leben aus der Familie gerissen zu werden.